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Ungenutzte Ressourcen neu denken: Die Biofabrique Vienna
Während sich die Welt mit dem drängenden Problem der Abfallwirtschaft auseinandersetzt, zeichnet sich ein wachsender Trend ab: die Kreislaufwirtschaft. Die Biofabrique Vienna, ein Pilotprojekt der Wirtschaftsagentur Wien und Atelier LUMA, einem Programm von LUMA Arles, in Partnerschaft mit der TU Wien (Institut für Architektur und Entwerfen) entwickelt unter Einsatz von nicht genutzten lokalen Ressourcen, Materialien für Architektur und Design.
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Während sich die Welt mit dem drängenden Problem der Abfallwirtschaft auseinandersetzt, zeichnet sich ein wachsender Trend ab: die Kreislaufwirtschaft. Dieser innovative Ansatz verändert die Art und Weise, wie wir über Abfall denken, und verwandelt ihn in eine wertvolle Ressource, die wiederverwendet und recycelt werden kann. Durch die Schaffung eines geschlossenen Kreislaufsystems, in dem Materialien kontinuierlich in die Produktion zurückgeführt werden, hat die Kreislaufwirtschaft das Potenzial, Abfälle auf Deponien zu reduzieren, natürliche Ressourcen zu schonen und den Klimawandel abzuschwächen.
Die Biofabrique Vienna ist ein innovatives Projekt, das genau bei diesem Punkt ansetzt und nicht genutzte, lokale Ressourcen in Materialien für Architektur und Design umwandelt. Durch eine Zusammenarbeit von verschiedenen Akteuren wie der Wirtschaftsagentur Wien, Atelier LUMA und der TU Wien entsteht eine Plattform für Wissen und Produktion, die auf die spezifischen Bedürfnisse Wiens eingeht. Wir durften Frau Elisabeth Noever-Ginthör, Leiterin Creativity & Business in der Wirtschaftsagentur Wien, zu diesem spannenden Projekt befragen.
KAT: Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben und uns ein paar Fragen beantworten. Wie kam es denn zu dem Projekt BioFabrique Vienna?
E.N-G: Bei einem Besuch des Atelier LUMA, einem Programm von LUMA in ARLES (übrigens wirklich eine Reise wert, sehr beeindruckend), stellte uns der Director Jan Boelen sein Konzept der Biofabrique erstmal vor: unter dem Motto „Material ist schwer und sollte lokal bleiben, Ideen sind leicht und können reisen“ beschreibt es ein lebendiges Produktionsnetzwerk mit Schwerpunkt auf der Nutzung bis dato ungenutzter oder zu wenig genutzter Ressourcen in einer Region, um diese wiederum in neue Materialien für Architektur, Design und Mode zu transformieren. Das Atelier LUMA arbeitet schon seit längerem mit diesem Ansatz. Sehr beeindruckend wurde in Arles das Atelier LUMA selbst (eine ehemalige Eisenbahnreparaturwerkstätte) mit Materialien aus der Carmague Region renoviert und adaptiert.
Uns hat dabei interessiert, was das für eine Stadt wie Wien bedeuten könnte. Zudem war die Aussicht das Projekt in der erstmals stattfindenden Klimabiennale zu positionieren super interessant für uns. Welche Kreisläufe in der Stadt können wir noch (aus-) bauen, schließen oder auch erweitern?
KAT: Was wäre denn ein Beispiel für nicht genutzte lokale Ressourcen, Materialien für Architektur und Design aus Wien?
E.N-G: Mit den Wiener Linien, der Bäckerei Ströck und Wienerberger haben wir ideale Partner für die erste Biofabrique Vienna gefunden. Beispielsweise wird gerade von drei Studios des Instituts für Architektur und Entwerfen der TU Wien (ein weiterer wichtiger Partner von uns) daran geforscht, inwieweit der Aushub des U-Bahn-Ausbaus der U2xU5 zu einer wertvollen Ressource für den Weiterbau dieses größten Infrastruktur- und Klimaprojektes der Stadt Wien werden kann. Die Fertigungstechniken der Wienerberger AG und Backwarenreste der Bäckerei Ströck, wie etwa Teig und Mehl, spielen zusammen, um neue Baustoffe für Architektur und Design zu produzieren. Das tolle dabei: Die Expertise der Unternehmen und ihre Innovationsbereitschaft fließen direkt in den Entwicklungsprozess ein.
KAT: Sie werden sich in den letzten Monaten sicher unglaublich viel mit dem Thema nachhaltige Ressourcen befasst haben, daher meine Frage: Wieso ist in Ihren Augen Kreislaufwirtschaft so wichtig?
E.N-G: Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Energiekrise ist eines deutlich geworden: wir brauchen eine neue Form des Wirtschaftens. Ressourcengerechtigkeit, Kreislauffähigkeit und soziale Nachhaltigkeit sind nicht mehr verhandelbar, sie werden in Zukunft über die Wettbewerbsfähigkeit am Markt entscheiden. Als Wirtschaftsagentur Wien haben wir deshalb mit Beginn 2024 unser gesamtes Förderportfolio umgestellt: Zielsetzung des neu ausgerichteten Förderportfolios 2024 ist es, gemeinsam mit den Unternehmen die Wirtschaft in Wien klimaneutral weiterzuentwickeln. „Don’t do significant harm“ – ist der kleinste gemeinsame Nenner, der bei einer Förderung jedenfalls gegeben sein muss. Überlegungen zu sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sind jetzt ein MUSS.
KAT: Es klingt sehr danach, als würden Sie für dieses Thema brennen, deshalb würde ich Sie gerne fragen, was Ihnen speziell an der BiofabriqueVienna besonders am Herzen liegt?
E.N-G: Wir freuen uns ganz besonders darüber, dass die Ergebnisse der Biofabrique Vienna auch eine erste reale Anwendung finden werden: für die im September stattfindende Vienna Design Week 2024 wird von studio d/reist der Hospitality Bereich der Festivalzentrale mit Materialien aus der Biofabrique gestaltet und damit ein erstes Showcase geschaffen.
Gleichzeitig arbeiten wir mit unseren Partnern auch an der Formulierung eines zukünftigen Geschäftsmodells für eine Produktionsanlage bioregionaler Baustoffe in Wien, als Beispiel für andere europäische Städte und Regionen.
KAT: Jetzt sind wir schon ganz aufgeregt! Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Haben wir euer Interesse geweckt? Super, dann schaut doch vorbei! Von 5. April bis 14. Juli 2024 immer Mittwoch bis Freitag von 12:00 bis 20:00 Uhr und Samstag & Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr in der Festivalareal Nordwestbahnhof (Nordwestbahnstraße 16/ 1200 Wien).
Der erste Tag, am 5. Juni, findet im Rahmen der Creative Days Vienna am Areal der Klima Biennale statt und ein Workshop mit Artivive zeigt am Beispiel der Biofabrique Vienna, wie man mit AR neue Vermittlungsebenen für nachhaltige Projekte schafft.